Lange Zeit galt Burnout als Managerkrankheit. Aber das ist sie nicht! Moderne Forschung und viele Statistiken zeigen, dass diejenigen Menschen am meisten darunter leiden, die das Gefühl haben, nicht Herr ihrer selbst und ihrer Zeit zu sein, die sich getrieben fühlen. Und das kann uns allen passieren! Lernen wir also rechtzeitig, Resilienz aufzubauen, also psychisch stark und widerstandsfähig zu werden - und zu bleiben. Denn psychisches Starksein kann man lernen.
Der folgende Text von mir ist in der Zeitschrift "Arzt und Praxis" erschienen:
Das Burnout-Syndrom beim Arzt
Tagein und tagaus verhelfen Aerzte anderen Menschen zu Gesundheit und langem Leben. Wie sieht es aber mit der Gesundheit der Aerzte selber aus? Wie werden sie mit den grossen Belastungen ihres Arbeitsalltags fertig ohne selber krank zu werden?
Eine Schweizer Studie aus dem Jahr 1984 zeigt, dass Aerzte nicht gesünder sind als der Durchschnitt der Bevölkerung. In gewissen Bereichen weisen sie sogar eine erhöhte Sterblichkeit auf, nämlich bei Herz-Kreislauf-Krankheiten, bei Leberzirrhose, Diabetes, Suizid und Medikamentensucht. Zudem sind bei Aerzten psychosomatische und emotionale Störungen besonders häufig. Viele dieser Krankheitsursachen hängen mit dem "Burnout-Syndrom" zusammen.
Der Begriff "Burnout" kommt aus dem Englischen und bedeutet soviel wie "ausbrennen". Wissenschaftlich wird mit "Burnout-Syndrom" eine Gruppe von Symptomen bezeichnet, die bei Menschen auftreten können, die durch starke Belastung im Laufe der Zeit "ausgebrannt" sind. Besonders anfällig für die Problematik des "Burnout" sind Aerzte, denn an ihren Kräften wird von allen Seiten gezehrt: Hoher Zeit- und Verantwortungsdruck, Patienten, die immer fordernder werden, Krankenkassen, die einen immer höheren administrativen Aufwand verlangen, Personal, dem die Rechte wichtiger sind als die Pflichten, etc. Zudem sorgen betriebliche Anforderungen für Stress und Hektik. Kein Wunder also, dass sich viele Aerzte am Ende eines Arbeitstages fix und fertig, ausgelaugt und erledigt fühlen - total ausgebrannt eben.
Wie kommt es zu einer Burnout-Krise
Burnout-Krisen entwickeln sich nicht von heute auf morgen, sondern über längere Phasen von höchster Beanspruchung und anhaltendem Stress. Die folgenden Aussagen oder Gedanken können erste Anzeichen einer Burnout-Krise sein und müssen ernst genommen werden: "Irgendwie macht mir meine Arbeit keine Freude mehr", "Seit einiger Zeit bin ich ziemlich unter Druck", "Was ich mache, kommt mir manchmal ziemlich sinnlos vor", In letzter Zeit schlägt mir meine Arbeit ganz schön auf den Magen". Auch Symptome wie zunehmende Gereiztheit, Grübeln, Einschlafschwierigkeiten, vermehrte Krankheitsanfälligkeit und anhaltende körperliche Beschwerden verweisen möglicherweise auf eine sich einschleichende Burnout-Problematik.
Wege aus der Burnout-Krise
Wer nicht ausbrennen will, muss rechtzeitig etwas tun. Die folgenden Ratschläge zeigen, wie Aerzte einer schweren Burnout-Krise vorbeugen und sich an Leib und Seele gesund erhalten können:
Ein Beispiel aus der Praxis
Werner B. wollte schon als Siebenjähriger Arzt werden und "allen kranken Menschen helfen" - genau wie sein Grossvater. Nach dem Medizinstudium liess er sich in einem Vorort von Zürich nieder und startete hier hochmotiviert und voller Idealismus seine Laufbahn als Allgemeinarzt. Während vieler Jahre erfüllte er pausenlos und mit höchstem Einsatz die vielfältigsten beruflichen und privaten Aufgaben. Kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag passierten in seinem Leben ein paar Dinge, die ihm zusätzlich Energie raubten. In der Folge konnte er abends kaum mehr von alleine einschlafen und auch seine Verdauung musste nun öfters "mit einem Mittelchen" unterstützt werden. Am Tag, als er mit einer Patientin in Streit geriet und ihm "Sie undankbare Person" entfuhr, begann er zu realisieren, dass er in letzter Zeit seine Kräfte überschätzt und seine Grenzen verkannt hatte. Er steckte mitten in einer tiefen Burnout-Krise.
Mit der Unterstützung einer Burnout-Spezialistin gelang es diesem Mann bald wieder, sich körperlich und mental zu entspannen. Shiatsu-Behandlungen und biodynamische Atemübungen verliehen ihm zudem neue Kraft und ein Gefühl von sprühender Lebensfreude. Mehrmals verspürte er während der körpertherapeutischen Arbeit den Impuls, "vor Erleichterung brüllen zu müssen wie ein freigelassener Löwe". Erfahrene Burnout-Berater wissen, dass Entspannung und Energiezuwachs in vielen Fällen noch nicht genügen, um eine Krise gründlich und nachhaltig zu lösen. Auch im Falle von Werner B. waren zwei zusätzliche Massnahmen notwendig: Optimierung des Arbeitsstils und Erstellen eines verbindlichen Freizeitplanes. Heute, etwa drei Jahre nach der Krise, sagt Werner B., er fühle sich "gelassener denn je". Sein Arbeitspensum sei zwar nicht kleiner geworden, er bewältige es aber mit weniger Aufwand, weil er nicht mehr so perfekt sein wolle. Auch nehme er sich seither regelmässig Zeit für Freunde und "andere Sinnlosigkeiten".
Burnout-Krisen sind nicht einfach Schicksal. Wem sein Leben lieb und seine Gesundheit wertvoll ist, der kann aus jedem Stadium einer negativen Burnout-Entwicklung aussteigen. Oft können schon kleine Schritte den Alltag in die richtige Richtung verändern und Aerzten ihre ursprüngliche Freude an der Arbeit und an den Menschen zurückbringen.
Empfehlenswerte Literatur zum Thema Burnout
Cherniss, Cary (1999). Jenseits von Burnout und Praxisschock.
Weinheim und Basel: Beltz.
Fengler, Jörg (1998). Helfen macht müde.
München: Pfeiffer.
Pines, Ayala M., Aronson, Elliot, Kafry, Ditsa (1993). Ausgebrannt.
Stuttgart: Klett-Cotta.
Schmidbauer, Wolfgang (1982). Die hilflosen Helfer.
Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.